Corona – Pandemie 2020/2021
Vor wenigen Tagen bekam ich ein Gedicht in Kopie zugesandt. Es wurde vor etwa 100 Jahren veröffentlicht im „Nebelspalter“, eine Schweizer Satire-zeitschrift, gegründet 1875 in Zürich und besteht bis heute als Monatsmagazin. Es betraf die Spanische Grippe und die Zeilen sind so aktuell, als wär`s gestern gedichtet worden. Vielleicht lesen es auch die „Quer-Denker?“
Die Grippe
und die Menschen
Als Würger zieht im Land herum
Mit
Trommel und mit Hippe (= Sichel/Sense)
Mit
schauerlichem Bum, bum, bumm,
Tief
schwarz verhüllt die Grippe.
Sie kehrt in jedem Hause ein
Und
schneidet volle Garben –
Viel
rosenrote Jungfräulein
Und
kecke Burschen starben.
Es schrie das Volk in seiner Not
Laut
auf zu den Behörden:
„Was
wartet ihr? Schützt uns vorm Tod –
Was
soll aus uns noch werden?
Ihr
habt die Macht und auch die Pflicht –
Nun
zeiget eure Grütze –
Wir
raten euch: Jetzt drückt euch nicht,
Zu
was seid ihr sonst nütze!
`s
ist ein Skandal, wie man es treibt,
Wo
bleiben die Verbote –
Man
singt und tanzt, juheit und kneipt,
Gibt`s
nicht genug schon Tote?“
Die Landesväter rieten her
Und
hin in ihrem Hirne.
Wie
dieser Not zu wehren wär`,
Mit
sorgenvoller Stirne:
Und
sieh`, die Mühe ward belohnt,
Ihr
Denken ward gesegnet:
Bald
hat es, schwer und ungewohnt,
Verbote
nur geregnet.
Die Grippe duckt sich tief und scheu
Und
wollte sacht verschwinden –
Da
johlte schon das Volk aufs Neu`
Aus
hunderttausend Münden:
„Regierung,
he! Bist du verrückt –
Was
soll dies alles heißen?
Was
soll der Krimskrams, der uns drückt,
Ihr
Weisesten der Weisen?
Sind
wir denn bloß zum Steuern da,
Was
nehmt ihr jede Freude?
Und
just zu Fastnachtszeiten – ha!“
So
gröhlt und tobt die Meute.
„Die
Kirche mögt verbieten ihr,
Das
Singen und das Beten –
Betreffs
des andern lassen wir
Jedoch
nicht nah uns treten!
Das
war es nicht, was wir gewollt,
Gebt
frei das Tanzen, Saufen,
Sonst
kommt das Volk – hört, wie es grollt,
Stadtwärts
in hellen Haufen!“
Die Grippe, die am letzten Loch
Schon
pfiff, sie blinzelt leise
Und
spricht: „Na endlich – also doch!“
Und
lacht auf häm`sche Weise.
„Ja, ja – sie bleibt doch immer gleich
Die
alte Menschensippe!“
Sie
reckt empor sich hoch und bleich
Und
schärft aufs Neu`die Hippe. A.Z.
Ponholz, 18.01.2021
Christine
Obermeier
chobgen