Wie ich ein
Stück meines Dickdarms abgeben mußte
oder
als das
Regenwurmöl auch nix weiter half !
Zum Lachen –
wenn`s nur nicht so ernst wäre!
Im Februar
schleppte ich mich wieder mal zum Hausarzt wegen Bauchschmerzen; meine
altbekannten Divertikel trieben mich dazu. Ein erneuter Schub – wie immer –
Antibiose schlucken! Es bedurfte keiner langen Überredungskünste, fast
freiwillig wollte ich in die Klinik nach der abgeklungenen Entzündung.
Mitte März
nahm ich einen Sprechstundentermin bei dem Professor wahr, der mir als „bester
Darmschnippler in meiner Region“ empfohlen wurde. Resultat: Indikation zur lap.
Sigmaresektion – OP-Termin! Ich bat den Herrn Professor, sollte er wirklich
einen Bauchschnitt machen müssen, evt. wegen Adipositas (werde ich nicht
übersetzen!), so könne er gerne ein Pfund Wammerl mit heraus schneiden. Darüber
konnte er herzhaft lachen.
Meine
Odyssee begann:
Dienstag.
10.3o Uhr. Ambulanter Termin zur Aufklärung und Vorbereitung, OP- und
Anästhesiegespräch, EKG und Blutentnahme. Welche Krankheiten bisher, welche
Medikamente werden kontinuierlich eingenommen, Rauchen wieviel, Alkoholgenuß
und bekannte Allergien wurden abgefragt. Wichtig schien mir auch die
Bekanntgabe, daß ich an Schlafapnoe leide; mein „Schnauferlgerät“ sollte ich
mitbringen. Ein Oberarzt zapfte bei mir Blut; ich hatte das Gefühl, für ihn war
es das 1. Mal. Heute, nach 18 Tagen, habe ich noch eine lila, bis in`s
gelblich, gefärbte Armbeuge. Das wäre soweit nicht tragisch, aber es stellte
sich heraus, daß dieser Arzt angeblich „deeer Gefäßchirurg“ ist. Gott-sei-Dank
fehlt mir nichts an den Gefäßen! Ich
bekam noch ein Päckchen Abführmittel mit Anleitung, da für den nächsten
Tag vormittags, nach der stationären Aufnahme, eine Coloskopie
(Dickdarmspiegelung) angesetzt war. Drei Liter Lösung sollte ich bis 18.oo Uhr
getrunken haben, morgens um 6.oo Uhr nochmals einen Liter. Dies wäre soweit
nicht schlimm gewesen, aber wie es so geht, um 14.oo Uhr verließ ich die Klinik
und fuhr auf die Autobahn. Der Verkehr stand still – Unfall – also runter von
der Highway und auf Schleichwegen durch die Stadt. Nur, ich war leider nicht
die einzige mit dieser Idee. Gegen 16.3o Uhr war ich endlich zu Hause und es
blieben mir genau 90 Minuten um „die lauwarme Brühe“ zu schlucken. Einfach
ekelhaft!
Mittwoch.
Punkt 8.3o Uhr passierte ich ein, wie vorgeschrieben, darmentleert. Eine alte
Dame von 83 Jahren war meine Bettnachbarin. Als erstes entpackte ich meine
Sakrotan-Dose, besprühte meinen mir zugeteilten Schrank, alle Türklinken,
Toilettenbrille, Spültaste und was ich sonst noch so glaubte, entkeimen zu
müssen. Ich mußte meinen Koffer nicht auspacken, ich bekam ein sog.
„Flügerlhemd“ (entwürdigend, mit ständig nacktem Hintern) für die nächsten 3
Tage. Gegen 10.oo Uhr holte mich ein
Pfleger zur Spiegelung. Es ist schon komisch, gesund und im Bett liegend
transportiert zu werden, schlagartig bekommt man das Gefühl, krank zu sein.
Kurz nach 11.oo Uhr war ich wieder im Zimmer, etwas schläfrig von der
Kurznarkose. Gegen Mittag kam die „Putzmamsell“ und wunderte sich, daß an den
Türen Schmutznasen (ich hatte wohl etwas zuviel Sakrotan gesprüht) runter
liefen und fragte: „Wos is`n dees?“ und ich sagte lakonisch: „Dreek!“
Gründonnerstag.
Eigentlich war ich nicht sehr aufgeregt. Ich fühlte mich in guten Händen beim
Herrn Professor. Die OP dauerte genau von 14.o5 Uhr bis 16.34 Uhr. Ein Pfleger
weckte mich und ich fragte: „Alles schon vorbei?“ „Ja, sie sind im
Aufwachraum!“ Ich dachte noch, also – überlebt hast du – und weg war ich. Ich
weiß nicht wie oft, aber immer wieder kam der Pfleger oder die Schwester,
rüttelten mich an der Schulter und riefen laut: „Frau Obermeier, fest
durchatmen!“. Ich holte ein paarmal tief Luft und weg war ich. Kaum war ich
eingeschlafen, immer wieder dasselbe Procedere. Ich dachte manchmal „verdammt
noch mal, ich kann doch nicht mehr als schnaufen“ und weg war ich! Dann dachte
ich „da arbeiten zwei Sadisten im Wachraum und keiner weiß das“ und weg war
ich. Ich hörte wie der Pfleger zu seiner Kollegin sagte: „Also, ii daat jetzt
Feieromd mach`n, Du kummst ja alloi z`recht? Host ja bloß mehr de Obermeier!“
Sie wünschte ihm ein schönes Wochenende. Ob Sie es glauben oder nicht, für mich
war das Psychoterror! Ich durfte einfach nicht schlafen, obwohl ich vor
Müdigkeit nicht fähig war, die Augen zu öffnen. Und jetzt war ich
offensichtlich allein mit der Schwester,
ein Quälgeist, sie konzentrierte sich nur noch auf mich und gönnte mir keine
Ruhe. Eine Tortur! Plötzlich kam es mir. „Sie, Schwester, ich hab` Schlafapnoe
und „mei` Schnauferl“ steht im Zimmer.“ „Aasoo!!“ Und schon war ich dort, wo
ich schon seit Stunden hätte sein können, wenn man den OP- und
Anästhesiefragebogen gelesen hätte. Ab 21.3o Uhr durfte ich endlich schlafen.
Karfreitag.
Nur schlafen. 7.3o Visite; bestehend aus meinem blutzapfenden Oberarzt (er war
äußerst freundlich zu mir, täglich zeigte ich ihm, so ganz nebenbei, sein
blaues Schandmal. Es herrschte ein sog. „stilles Abkommen“ – er war nett und ich
hielt mein loses Mundwerk! So muß "kalter Krieg“ sein!), einer jungen
Stationsärztin und einem Rattenschwanz von Schwestern und Schülerinnen. „Hab`
ich einen Bauchschnitt?“ „Nein, wir machten eine Laparoskopie, Sie haben 4
Löcherl!“ „Hab` ich Krebs?“ „Nein“. „Gut“, ich schlief weiter. Aufwecken –
Fieber und Blutdruck messen. Aufwecken – Tabletten schlucken. Aufwecken –
Infusion anlegen. usw.
Samstag.
Mein Tantchen kam nachmittags. „Bitte hilf mir, mich juckt es überall, ich
möchte mich waschen“, davon ausgehend, daß ich mich am Mittwoch morgens das
letzte Mal duschte. Abends klingelte ich der Schwester. Ich hatte Rötungen am
ganzen Körper, ausgenommen die Stelle des eingepinselten operierten
Bauchraumes. „Sie vertragen kein Novalgin, wir stellen morgen das Schmerzmittel
um“. Ich bekam sofort Fenistilcreme und eine -tablette gegen Juckreiz. Klar,
wegen den Feiertagen gab es nur eine Notbesetzung auf der Station. An diesem
Tag wurde das 1. Mal mein Verband (Usus, alle 2 Tage) von einer Ärztin
gewechselt, die normalerweise in der Intensivstation Dienst schob. Ich dachte,
ich seh` nicht recht. Sie hieß Dr. NN, der Name eines alten Scharfrichter- und
Schindergeschlechtes in Bayern. Darauf angesprochen, fand sie das alles sehr
spannend. Selbstredend – außer Freitag wegen erlittenen Schlafentzug – sprühte
ich nach jedem täglichen Putzprogramm mein Sakrotan den geputzten Stellen
hinterher.
Ostersonntag.
Ich bekam ein neues Medikament, DD Targin. Vorsichtig fragte ich an, ob ich
denn nicht Voltaren bekommen könne. Dies nehme ich seit Jahren, nach Bedarf (in
den Fragebögen natürlich angegeben!), gegen meine Bandscheibenschmerzen.
Lakonische Antwort: „Das hilft nur bei den Knochen“. Ah ja, das hilft also
nicht bei Schmerzen am Speckbauch und
Darm; ich glaubte es. Nachmittags stand ich auf und ging ein Zigarettchen
rauchen. Ich habe mal gelesen, daß Raucher eher gesunden als Nichtraucher –
jedenfalls kommen Raucher eher aus dem Bett! Liegt bestimmt in der Natur der
Sache, Nikotinsucht.
Ostermontag.
Nachts Infusion, tags Tabletten, vormittags und nachmittags eine rauchen; zum
Frühstück Brei, mittags ein Süppchen und Brei, abends ein Süppchen und Brei;
Fenistilcreme zum Einreiben und abends wieder eine Fenistiltablette – so
verlief der Tag. Abends erzählte ich der Schwester, daß ich immer noch einen
entsetzlichen Juckreiz habe. Ich könnte, wie ein Schwein, mit dem Rücken an der
Wand entlang wetzen. Das ist normal, es dauert eben, bis das Novalgin aus dem
Körper ist. Ich glaubte ihr! An diesem Tag erfolgte auch der 2.
Verbandswechsel. Wieder Frau Dr. NN aus der Intensivstation. Sie schlug mir
kumpelhaft auf die Schulter und meinte: „Frau Obermeier, Sie sind eine Wucht!
Ich möchte auf alle Fälle mehr von meinen Ahnen wissen.“ Ich gab ihr mein
Kärtchen und bat um Zusendung ihrer ihr bekannten Ahnen – und wenn`s dumm
läuft, sind wir sogar seit etwa 1680 verwandt. Das weiß Sie nicht, aber mal
schauen, ob ich von ihr Unterlagen bekomme.
Dienstag.
Infusion, Tabletten, Juckreiz. Mein Gesicht war krebsrot, ich „blühte auf“
und bekam bereits kleine Pustel. Mittags
hielt ich es nicht mehr aus. Es kam die junge Stationsärztin. „Wir stellen das
Schmerzmittel um, Sie bekommen ab sofort Tilidintropfen“; bei diesem Medikament
wären keinerlei allergische Reaktionen bekannt. „Super, endlich!“ Nachmittags
leistete ich mir im Kiosk-Cafe einen Latte Macchiato und zwei Zigarettchen.
Ich fragte
nach der Dame von der Sozialstation. Sie kam und ich bat um einen Antrag für
eine Anschluß-Reha. Sie könne das für
mich machen, müsse mir aber gleich meine Illusion nehmen. Aus Sparmaßnahmen
wird das sicher nicht genehmigt, denn ich hätte keinen künstlichen Ausgang
bekommen und wäre auch nicht nach der OP auf Intensiv gelegen. Ich war also „zu
wenig lädiert“, bat aber trotzdem um den Antrag.
An diesem
Tag wurde meine Bettnachbarin um 14.oo Uhr entlassen. Gegen 16.oo Uhr bekam ich
eine neue. 74 Jahre, Nabelbruch, Notoperation heute noch geplant. Richtig –
gegen 19.oo Uhr holte man sie ab und irgendwann nachts wurde sie wieder
gebracht. Die Nachtschwester (man könnte sagen, sie war etwas burschikos) bat
mich, nachdem es mir ja schon verhältnismäßig gut ginge, sollte die
Bettnachbarin etwas unruhig werden, möchte ich doch bitte nach ihr läuten.
Vielleicht gegen 3.oo Uhr hörte ich etwas. Ich dachte mich trifft der Schlag;
meine neue, frisch operierte Bettnachbarin saß auf der Bettkante und stand
gerade auf. Während des Klingelns schrie ich sie regelrecht an, sie solle
sofort ins Bett zurück. Sie meinte nur: „Ja wenn`s moana“ und schwang ihre
Beine auf`s Bett, als ob keine Operation stattgefunden hätte. Die
Nachtschwester kam und fragte, während sie diese wieder mit dem Oberbett
zudeckte: „Frau NN, wos is`n los?“ „I miaßat biesln!“ „Dees ko net sei, Sie
ha`m an Katheter!“ Damit war sie auf dem Weg nach draußen. Ich erlaubte mir zu
sagen: „Schwester, schau`ns doch mal, da kann doch was nicht stimmen.“
Daraufhin machte sie das große Zimmerlicht an, ging zurück zu deren Bett und
kontrollierte den Schlauch vom Urinbeutel aufsteigend Richtung Einsatzgebiet. Und
siehe da, sie sagte (mehr zu sich selbst): „Tatsächlich, der Schlauch ist
abgeknickt!“ Sie rückte diesen gerade und der gestaute Urin plätscherte
regelrecht in den dafür vorgesehenen Beutel. Fällt Ihnen dazu noch etwas ein??
Mittwoch.
Alles wie gehabt. Nachts Infusion, tags Tabletten und vor allem immer noch
Juckreiz; ich muß einfach noch etwas Geduld aufbringen, sagte man mir. Ich kann
heute nicht mehr beurteilen, war der Bauchschmerz oder der Juckreiz schlimmer.
Vormittags und nachmittags zwei Zigarettchen, im Kiosk ein Latte Macchiato. Zum
Rauchen gehe ich nicht mehr runter in den Eingangsbereich, ich habe den
Dachgarten entdeckt – der ist auch etwas näher, im selben Stockwerk, nur um die
Ecke.
Donnerstag.
Ich werde fast verrückt vom Jucken, krebsrot am ganzen Körper; ich könnte mir
mit einer Drahtbürste die Haut abziehen, wenn ich eine solche hätte. Jede
Stunde schmiere ich das Fenistil ins Gesicht und an die Stellen, die ich per
Hand erreiche. Alles Scheiße - da half auch nicht mehr die kleine Freude des
Nikotingenußes. Das darf doch alles nicht wahr sein! Da erschien mir
nachmittags ein Engel. Ein neuer Pfleger legte mir strahlend eine Tablette auf
das Tableau und sagt: „Frau Obermeier, jetzt habe ich was für Sie, das Sie
bestimmt gut vertragen“. Na, was glauben Sie, was das war? VOLTAREN! Ich sagte:
„Aber, das Medikament hilft doch nur gegen Knochenschmerzen.“ Er antwortete
kurz und bündig: „Schmerzmittel san Schmerzmittel!“ Ich saß im Bett und
grübelte: „Spinn` jetzt ich oder spinnen die?“ Ich beschloß: „DIE!“
Aber es
kommt noch besser. Am späten Vormittag war Verbandswechsel (ein Tag später als
Usus!). Die Schwester meinte: „Alles wunderbar. Keine Entzündung. Wollen Sie
die Narben anschauen?“ Ich meinte: „Muß nicht sein!“ Aber die Bettnachbarin
hatte bereits ihren Handspiegel parat
und reichte diesen an die Schwester weiter. Wirklich wunderbar, 3 Narben, schön
verheilt, total trocken. Sie wurden neu verbunden. Irgendwann nachts wurde ich
wach und rieb meinen schmerzenden Bauch. Ich sinnierte vor mich hin und
plötzlich fiel mir ein, daß am Tag nach der OP die Visite doch von einer
Laparoskopie mit 4 Löcherl sprach. Komisch, ich wußte genau, daß man mir
gestern nur 3 Löcherl zeigte und auch nur 3 Löcherl verband!
Am Abend
besuchte mich noch kurz mein mich operierender Professor. Ich konnte und durfte
ihn alles fragen und er antwortete mir nicht mit medizinischem Latein, sondern
so, daß auch ich alles kapierte. Heute glaube ich, er ist der einzige normale
Mensch in dieser Klinik; jedenfalls ist er kein Preuße und kein „Halbgott in
Weiß“ und er kann reden „wie du und ich“. „DANKE Herr Professor!“
Freitag.
Fieber messen, Blutdruck messen, Tabletten austeilen usw. Es war dieselbe
Schwester, die gestern den Verbandswechsel vornahm. Schüchtern fragte ich:
„Schwester, könnte es sein, daß Sie gestern eines meiner Löcherl vergaßen zu
verbinden?“ Ein Gesichtsausdruck – ich konnte ihre Gedanken lesen, so laut
dachte sie – „Obermeier, Du woaßt jed`n Tog wos anders!“ Alles ignorierend bat
ich sie höflich, doch bitte kurz einen Blick auf meinen Bauch zu werfen.
Nachthemd hoch, Höschen (etwas untertrieben, Hose) runter – und sie wurde
regelrecht bleich. Ich bekam sofort das 4. Löcherl verbunden (zugegeben, es
befand sich in einer Speckfalte)! Trotzdem, da fällt mir nix mehr ein!!
Samstag.
Gegen 10.3o Uhr wurde ich entlassen.
Vergangenen
Montag wurden die Fäden vom Hausarzt entfernt. Nur das 4. Löcherl „sappert“
noch etwas. Es geht mir den Umständen entsprechend gut. Mein Voltaren wirkt
allergiefrei. Mein „beleidigter Darm“ begreift nun auch langsam was eigentlich
seine Aufgabe wäre. Und – seit vorgestern weiß ich, daß meine beantragte
Reha-Maßnahme genehmigt ist.
Dies ist die
Reportage von 12 Tagen Klinikaufenthalt, 2011.
Es soll
Menschen geben, die wochenlang, ja manchmal monatelang in so einem Haus betreut
werden, schwerst krank ständig liegen müssen und jenen Menschen hilflos
ausgeliefert sind.
“Wehe dem,
der da auf`s Maul gefallen ist!!“
Ponholz,
06.05.2011
Christine
Obermeier
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