Eine
Geschichte aus dem Graslitzer
Rechnungsbuch
1617
- oder –
Wie kam ein
Selbstmörder unter die Erde ?
Der
Braumeister Wolfgang Prass fand am 14. Feber 1617 den „Mulzer“ Peter
Friedel, erhängt im Malzhaus. Sofort erging die Nachricht an das Bürgermeisteramt
in Graslitz und an den Totengräber Georg Oede, der es aber ablehnte, den
erhängten Selbstmörder abzunehmen und zu begraben. Dies war schließlich die
Arbeit eines „Unehrlichen“.
Umgehend,
noch am selben Morgen, wurde der Graslitzer Bote, Peter Schnabel, nach
Lichtenstadt und von dort weiter nach Waldenburg zu den
schönburg-glauchauischen Herren geschickt. Das dortige herrschaftliche Amt
veranlaßte, daß für die Beseitigung des Leichnams, der Scharfrichter aus
Zwickau berufen wurde.
Es kam und
vollzog sein Amt mit ein paar Knechten, David Fischer, zur damaligen Zeit
Henker in Zwickau. Er stammte aus einer alten Scharfrichter-Dynastie, die
bereits vor 1548 in Bamberg, um 1565 in Nürnberg, um 1585 in Eger und um 1580
in Annaberg ihr „unehrliches Handwerk“ ausübten.
David
Fischer war um 1608 Scharfrichter in St. Joachimsthal und saß nun,
1617, in Zwickau; Mitglieder seiner Dynastie vollzogen bis ins 19.
Jahrhundert das Handwerk der Henker, in den verschiedensten Königreichen.
„Hingerichtete
Gehenkte“, sog. „arme Sünder“ warf man in eine ausgehobene Grube unter dem
Galgen, „Selbstmörder“ begrub man im Armengrab hinter der Friedhofsmauer;
selbstredend – Beide ohne kirchlichen Segen, ohne Gesang und ohne
Leichenschmaus.
Fischer
bekam für seine Tätigkeit, den „selbst erhängten abzuhauen und zu begraben“,
vom „Amt Greßlas 67 fl 7 wg 3 wd“, laut Abrechnung zu „Michaelis Anno
1617“, als sog. „Gerichtskosten“. Dies war eine enorme Summe,
wenn man bedenkt, daß z.B. die ehrenwerten Herren, der Berg- und Gegenschreiber
78 fl, der Hüttenwächter 52 fl und der herrschaftliche Oberförster 25 fl als
Jahresbesoldung erhielten.
Peter
Schnabel bekam als „Botenlohn und Wartegeld“ nur 1 fl 3 wd, laut
derselben Abrechnung. Nach Lichtenstadt mußte er deshalb laufen, da Peter
Friedel von dort gebürtig und erst seit 1613 in Graslitz als Mulzer tätig war.
Der Bürgermeister von Graslitz erhoffte wohl, daß das Amt Lichtenstadt die
hohen Kosten „der Bestattung“, wenigstens teilweise übernehmen würde.
Graslitz blieb
auf den Kosten sitzen, denn auch die schwangere Witwe, Magdalena Friedel,
konnte für diese Summe nicht aufkommen; diesbezügliche Amtseinnahmen
wurden auch später nicht verzeichnet.
So ein Pech
aber auch – dafür mußten Hinterbliebene eines hingerichteten Graslitzer Bürgers
1619, für dessen „Beseitigung der körperlichen Hülle“, die Kosten doppelt
begleichen. Aber – das wäre eine andere Geschichte!
Es war also
schon immer so, wer hat – der zahlt – und das nannte und nennt man kommunale
Kalkulation!
Übrigens,
Nachfolger im Graslitzer Malzhaus wurde 1617 der „Mulzer“ Hans Küntzel.
Ihre
Christine
Obermeier
Ponholz, 24.03.2010
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