Freitag, 8. Februar 2013

Eine Geschichte aus dem Graslitzer Rechnungsbuch 1617



Eine Geschichte aus dem Graslitzer
Rechnungsbuch 1617

- oder –

Wie kam ein Selbstmörder unter die Erde ?

Der Braumeister Wolfgang Prass fand am 14. Feber 1617 den „Mulzer“ Peter Friedel, erhängt im Malzhaus. Sofort erging die Nachricht an das Bürgermeisteramt in Graslitz und an den Totengräber Georg Oede, der es aber ablehnte, den erhängten Selbstmörder abzunehmen und zu begraben. Dies war schließlich die Arbeit eines „Unehrlichen“.

Umgehend, noch am selben Morgen, wurde der Graslitzer Bote, Peter Schnabel, nach Lichtenstadt und von dort weiter nach Waldenburg zu den schönburg-glauchauischen Herren geschickt. Das dortige herrschaftliche Amt veranlaßte, daß für die Beseitigung des Leichnams, der Scharfrichter aus Zwickau berufen wurde.

Es kam und vollzog sein Amt mit ein paar Knechten, David Fischer, zur damaligen Zeit Henker in Zwickau. Er stammte aus einer alten Scharfrichter-Dynastie, die bereits vor 1548 in Bamberg, um 1565 in Nürnberg, um 1585 in Eger und um 1580 in Annaberg ihr „unehrliches Handwerk“ ausübten.

David Fischer war um 1608 Scharfrichter in St. Joachimsthal und saß nun, 1617, in Zwickau; Mitglieder seiner Dynastie vollzogen bis ins 19. Jahrhundert das Handwerk der Henker, in den verschiedensten Königreichen.

„Hingerichtete Gehenkte“, sog. „arme Sünder“ warf man in eine ausgehobene Grube unter dem Galgen, „Selbstmörder“ begrub man im Armengrab hinter der Friedhofsmauer; selbstredend – Beide ohne kirchlichen Segen, ohne Gesang und ohne Leichenschmaus.  

Fischer bekam für seine Tätigkeit, den „selbst erhängten abzuhauen und zu begraben“, vom „Amt Greßlas 67 fl 7 wg 3 wd“, laut Abrechnung zu „Michaelis Anno 1617“, als sog. „Gerichtskosten“. Dies war eine enorme Summe, wenn man bedenkt, daß z.B. die ehrenwerten Herren, der Berg- und Gegenschreiber 78 fl, der Hüttenwächter 52 fl und der herrschaftliche Oberförster 25 fl als Jahresbesoldung erhielten.

Peter Schnabel bekam als „Botenlohn und Wartegeld“ nur 1 fl 3 wd, laut derselben Abrechnung. Nach Lichtenstadt mußte er deshalb laufen, da Peter Friedel von dort gebürtig und erst seit 1613 in Graslitz als Mulzer tätig war. Der Bürgermeister von Graslitz erhoffte wohl, daß das Amt Lichtenstadt die hohen Kosten „der Bestattung“, wenigstens teilweise übernehmen würde.

Graslitz blieb auf den Kosten sitzen, denn auch die schwangere Witwe, Magdalena Friedel, konnte für diese Summe nicht aufkommen; diesbezügliche Amtseinnahmen wurden auch später nicht verzeichnet.

So ein Pech aber auch – dafür mußten Hinterbliebene eines hingerichteten Graslitzer Bürgers 1619, für dessen „Beseitigung der körperlichen Hülle“, die Kosten doppelt begleichen. Aber – das wäre eine andere Geschichte!

Es war also schon immer so, wer hat – der zahlt – und das nannte und nennt man kommunale Kalkulation!

Übrigens, Nachfolger im Graslitzer Malzhaus wurde 1617 der „Mulzer“ Hans Küntzel.


Ihre
Christine Obermeier

Ponholz, 24.03.2010

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